11 Tipps: Führung in unsicheren Zeiten

(© Melanie Vogel) Ed Catmull, ehemaliger Chef von Pixar, stellte kürzlich diese Frage: Wie führt man, wenn man nicht weiß, was auf einen zukommt? Führen, wenn man nicht weiß, was auf einen zukommt, ist eine Herausforderung, der sich viele Führungskräfte in der heutigen komplexen und sich schnell verändernden Welt stellen müssen. Ganz gleich, ob es darum geht, unerwartete Krisen zu bewältigen, Unsicherheiten zu meistern oder ein Team durch Chaos zu führen – navigieren im Nebel ist kein Strandspaziergang, denn standardisierte Führungsmethoden gibt es nicht.

Catmull wies daher auch zu Recht auf die schwierige Realität hin, mit der die Führungskräfte von heute konfrontiert sind:

Disruption is so frequent. – Unterbrechungen sind so häufig.

Uncertainty is so pervasive. – Die Ungewissheit ist allgegenwärtig.

Change is so rapid. – Der Wandel ist so schnell.

Doch warum fällt es uns so schwer, mit Unsicherheit umzugehen? Schauen wir uns zunächst das Phänomen der Unsicherheit aus psychologischer Perspektive an.

Unsicherheit ist ein allgegenwärtiges Phänomen, das sich in verschiedenen Lebensbereichen manifestiert. In der Welt der Führung ist sie besonders relevant und unbeliebt, da Führungskräfte in letzter Instanz Entscheidungen treffen müssen. Irgendwann kann man einen Sachverhalt nicht weiter nach oben delegieren. Irgendeiner ist am Ende der oder die Dumme und muss eine Richtung vorgeben. So lange dieser Richtungsentscheid nicht getroffen ist, verharren die Hierarchieebenen und damit auch die von der Entscheidung betroffenen Teams in einer Entscheidungsparalyse. Nichts geht mehr – der Betrieb steht an diesem “Punkt der Entscheidung” zunächst still.

In der VUCA-Welt kommt dieser paralytische Zustand einer Katastrophe gleich, denn das Außen dreht sich in seiner Veränderungsdynamik munter weiter. Bis also eine Entscheidung getroffen ist, kann der Zenit bereits überschritten sein – die Entscheidung kommt zu spät oder ist schon längst irrelevant geworden. Das frustriert und sorgt für eine stetige Vertrauenserosion in der Belegschaft. Führung wird als “weich” und zu wenig entscheidungsfreudig wahrgenommen. Der Respekt vor den Führungskräften schwindet.

Was passiert aber psychologisch an diesen neuralgisch unsicheren Entscheidungspunkten? Psychologisch betrachtet löst Unsicherheit Stress und Angst aus, weil unser Gehirn dazu neigt, das Unbekannte als Bedrohung zu interpretieren. In der Folge schüttet der Körper Stresshormone aus, was negative Auswirkungen auf unsere kognitive Leistungsfähigkeit hat, denn: Stress tötet Kreativität und damit gleichzeitig auch die Fähigkeit, Probleme zu lösen. Psychologisch ist es daher völlig verständlich, dass Menschen – egal auf welcher Führungsebene – eine Entscheidung so lange hinauszögern, bis sie glauben, ausreichend Informationen für eine möglichst sichere Entscheidung gesammelt zu haben.

Kleiner Spoiler Alert: In VUCA-Zeiten wird es diesen Zeitpunkt allerdings NIE geben.

Schauen wir uns das Phänomen der Unsicherheit aus philosophischer Perspektive an.

Philosophisch betrachtet ist Unsicherheit ein grundlegendes Element der menschlichen Existenz. Die Philosophie hat sich seit jeher mit Fragen der Unsicherheit und des Unbekannten auseinandergesetzt. Existenzialistische Denker wie Jean-Paul Sartre haben betont, dass die menschliche Freiheit mit Unsicherheit einhergeht. Wir sind frei, unsere eigenen Entscheidungen zu treffen, ohne die Gewissheit über die Zukunft zu haben.

Die Philosophie der Stoiker lehrt uns, Unsicherheit zu akzeptieren und unsere Reaktion darauf zu kontrollieren. Epiktet betonte die Unterscheidung zwischen Dingen, die wir kontrollieren können, und solchen, die außerhalb unserer Kontrolle liegen. Mit anderen Worten: Alle Entscheidungsparameter, die außerhalb unserer Kontrolle liegen können wir – logischerweise – nicht kontrollieren. Sie bleiben also immer unsicher. Und selbst den Parametern, die wir glauben, kontrollieren zu können, haftet das Stigma der Unsicherheit an, da es vollständige Sicherheit nur in zwei Aspekten unseres Lebens gibt: Völlig sicher ist, dass wir geboren wurden. und völlig sicher ist, dass wir irgendwann sterben werden. Dazwischen liegt das Leben als ein einziges Meer der Unsicherheit, das wir lernen müssen, mit möglichst viel Gelassenheit zu navigieren.

Führungskräfte könnten diesen philosophischen Ausgangspunkt nutzen, um entspannter mit Unsicherheit umzugehen und sich auf das zu konzentrieren, was sie direkt beeinflussen können. An den Punkten der direkten Beeinflussbarkeit wird sich in der Folge die Entscheidungsgeschwindigkeit schon deutlich erhöhen.

11 Tipps für Führungskräfte

  1. Anpassungsfähigkeit: Machen Sie die Anpassungsfähigkeit zu einer wichtigen Führungseigenschaft. Seien Sie sich bewusst, dass Veränderungen zur Normalität gehören und die Fähigkeit, Ihre Pläne zu ändern und anzupassen, von entscheidender Bedeutung ist. Ermutigen Sie sich und Ihr Team, flexibel und offen zu sein für neue Ideen und Richtungen.
  2. Szenarioplanung: Sie können die Zukunft zwar nicht vorhersagen, aber Sie können verschiedene Szenarien für unterschiedliche Ergebnisse entwerfen. Dies hilft Ihnen und Ihrem Team, sich auf eine Reihe von Möglichkeiten vorzubereiten und effektiver zu reagieren, wenn das Unerwartete eintritt. Die einfachste Szenarioplanung beginnt mit der Frage: “Was wäre, wenn…?”
  3. Starke Kommunikation: Pflegen Sie eine offene und transparente Kommunikation mit Ihrem Team. Seien Sie ehrlich darüber, was Sie wissen und was Sie nicht wissen. Informieren Sie Ihr Team regelmäßig über den aktuellen Stand der Dinge und ermutigen Sie Ihre Teammitglieder, eigene Gedanken und Bedenken mitzuteilen.
  4. Ermächtigen Sie Ihr Team: Vertrauen Sie auf die Kompetenz Ihres Teams und delegieren Sie Aufgaben. Ermächtigen Sie sie, Entscheidungen innerhalb ihres Fachgebiets zu treffen. So können Sie sich gemeinsam besser auf unvorhergesehene Herausforderungen einstellen.
  5. Resilienz aufbauen: Fördern Sie Resilienz bei sich selbst und in Ihrem Team. Dazu gehört, dass Sie die Fähigkeit entwickeln, sich von Rückschlägen zu erholen, aus Fehlern zu lernen und auch bei Unsicherheit eine positive Einstellung zu bewahren.
  6. Kontinuierliches Lernen: Informieren Sie sich über Branchentrends, neue Technologien und globale Ereignisse, die sich auf Ihr Unternehmen auswirken können. Fördern Sie eine Kultur des ständigen Lernens innerhalb Ihres Teams.
  7. Suchen Sie nach unterschiedlichen Perspektiven: Bitten Sie Teammitglieder mit unterschiedlichen Hintergründen und Erfahrungen um Beiträge. Unterschiedliche Perspektiven können helfen, potenzielle Risiken und Chancen zu erkennen, die Sie sonst vielleicht übersehen hätten.
  8. Ermutigen Sie zur Innovation: Ermutigen Sie zu einer Kultur der Innovation und des Experimentierens. Manchmal ergeben sich die besten Lösungen, wenn man bereit ist, kalkulierte Risiken einzugehen und neue Ansätze auszuprobieren.
  9. Ressourcenzuweisung: Achten Sie auf die Ressourcenzuweisung. In unsicheren Zeiten ist es wichtig, Ressourcen sinnvoll einzusetzen und sich auf wichtige Projekte und Initiativen zu konzentrieren, die mit den Kernzielen Ihrer Organisation übereinstimmen.
  10. Ruhig und zuversichtlich bleiben: Als Führungskraft geben Sie mit Ihrem Auftreten den Ton für Ihr Team an. Bleiben Sie ruhig und selbstbewusst, auch wenn Sie mit Unklarheiten konfrontiert werden. Ihr Team wird sich an Ihnen orientieren und Stabilität erwarten.
  11. Feedback und Reflexion: Fördern Sie Feedback und regelmäßige Reflexion innerhalb Ihres Teams. Nehmen Sie sich nach ungewissen oder unerwarteten Herausforderungen Zeit, um zu bewerten, was funktioniert hat und was nicht, und nutzen Sie diese Erkenntnisse, um Ihre künftigen Reaktionen zu verbessern.




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